Wer hätte das gedacht? Ich habe Ernst gemacht mit meinem schon vor längerer Zeit gefassten Beschluss, meinem Coachpotatoe-Dasein endlich ein Ende zu setzen. Ich war diese Woche dreimal joggen.
Yvonne war joggen? werden sich alle fragen, die mich kennen. Ja, ich war joggen. Sinnloses durch die Gegend-Rennen, mit hochrotem Kopf heim kommen, schier zusammen brechen, weil die Kondition fehlt und ein gigantischer Muskelkater nach den ersten beiden Malen. All das nehme ich auf mich.
Hab in einem Buch ein recht vernünftig klingendes Trainingsprogramm gefunden, das für den Anfang Joggen und Walken verbindet. Heute Früh ist mir die dieswöchentliche Runde schon viel leichter gefallen. Nächste Woche wird das Pensum gesteigert. Ich bin stolz auf mich!!!!
Und nochwas: wider Erwarten hat das sogar Spaß gemacht. Man fühlt sich wunderbar hinterher. Ich mag's kaum glauben.
yvseit - 7. Mai, 22:17
Ich habe in den letzten beiden Woche ein Massaker angerichtet unter dem Erdholler im Johannisbeerstrauchbeet meiner Oma. Erdholler ist das gemeinste Unkraut, das mir seit langem untergekommen ist. Er überdeckt das ganze Beet, so dass man gar nichts anderes mehr zu Gesicht bekommt. Okay, die Johannisbeersträucher schauen raus, sie sind einfach etwas größer.
"Kannst du das Beet ein bisschen von Unkraut befreiten", hatte mich meine Oma gefragt.
Aber natürlich, dachte ich mir. Das ist doch kein Problem. Tja. Dachte ich mir. Ich schaffte es an dem Tag gerade mal den Bereich um vier der Sträucher herum zu säubern. Erdholler ist extrem widerstandsfähig und her hat, so kam es mir vor, unseren gesamten Garten unterwurzelt. Man kann kaum tief genug graben um die Wurzeln wenigstens ansatzweise zu erwischen. Ich habe gezogen und gezerrt, gerissen und geschnitten und hatte hinterher eine ganze Schubkarre voll mit jungem Erdhollergrün inklusive meterlanger Wurzeln und einen bombastischen Muskelkater.
Ganz gemein verhält sich der Erdholler, um die Johannisbeersträucher herum. Er wickelt sich mit seinen Wurzeln um die der Sträucher, so dass man ihn überhaupt nicht weg bekommt. Darf ich an dieser Wurzel ziehen oder lieber nicht?
Aber ich muss sagen, selbst nach dem ganzen Regen der letzten Tage ist sehr, sehr wenig Erdholler nachgekommen. Vielleicht erholt er sich doch nicht so schnell von meinem Massaker im Blumenbeet.
Zwei Sträucher müssen noch befreit werden. Und das Beet mit den Pfingstrosen. Mir geht die Arbeti nicht aus.
yvseit - 30. Apr, 13:32
Es ist dunkel und kalt, als ich den Kirchenraum betrete. Ich ziehe mir den Anorak enger um die Schultern und taste mich mit meiner Geige in der Hand zur Treppe, die auf die Empore führt. Leises Rascheln und Raunen verrät mir, dass schon einige Leute in den Bänken sitzen. Von den Musikern ist außer mir noch fast keiner da. Pünktlich sein heißt zu früh sein in der Osternacht. Ich packe meine Geige aus und setze mich auf meinen Platz. Es ist noch nicht einmal halb sechs und ich sehne mich in mein warmes Bett zurück.
Hin und wieder flackert der dünne Lichtstrahl einer Taschenlampe durch den Raum und wirft unheimliche Schatten an die Kirchenwände. Manche Leute tun sich schwer, die Dunkelheit zu ertragen.
Nach einer halben Ewigkeit, wie mir scheint, betritt der Pfarrer mit den Ministranten den Kirchenraum. Er trägt eine riesige Kerze vor sich her. Geweihtes Licht. Ein Ministrant nach dem anderen entzündet seine Kerze. Ein kleiner Ring von Licht hat sich um den Altar gebildet. Dann wird die geweihte Flamme an die Kirchenbesucher weiter gereicht. Es ist still, außer dem leisen Klappern der Plastikbecher, in der die Kerzen stehen. Fast unmerklich wird es heller, Lichtlein um Lichtlein, bis die letzte Kerze entzündet ist. Auch auf der Empore ist das Licht angekommen. Kerzen zieren die Brüstung und die Orgel. Ich bewundere das Lichtermeer unter mir, kleine gelbe Pünktchen, die wie Figuren zu einer unhörbaren Melodie tanzen. Aus dem unheimlichen und kalten Gebäude ist ein Raum des Friedens und der Wärme geworden.
Es werde Licht, denke ich. Die Schönheit des Augenblicks raubt mir den Atem.
yvseit - 19. Apr, 09:09
Tja, es ist soweit, ich habe den letzten Tag in der Arbeit hinter mir. Es hieß Abschied nehmen, ein letztes Mal dieses tun, jenes tun, Hände schütteln und Wiedersehensversprechungen machen.
"Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Träume in Erfüllung gehen", sagt mein Chef zu mir. Ich bedanke mich, aber im Inneren kann ich mir den zynischen Gedanken nicht verkneifen, dass sich einer meiner dringlichsten Wünsche - nämlich dort nicht mehr arbeiten zu müssen - gerade erfüllt.
"Lass dich drücken, Mädel", sagen die Jungs aus dem Lager und ich werde von einem zum nächsten gereicht, jeder darf mal. "Alles Gute, mach's gut, lass mal von dir hören."
"Sie schaffen es immer wieder, die besten zu vergraulen", sagt mein Lieblingsvertreter am Telefon. "Mit wem soll ich jetzt meine Anliegen klären?"
Tja, mit wem? Mir sollte es egal sein, aber ich werde ein wenig traurig.
"Ich emaile Ihnen ab und zu", verspreche ich.
"Wie kannst du nur gehen", sagt meine Kollegin fast verzweifelt. "Jetzt setzen sie mir irgendso ein Milchbubi oder sonstig blöden Typen ins Büro, das halte ich nicht aus."
Fast bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Ja, warum gehe ich eigentlich? Warum verlasse ich altbekannte Pfade? Die Antwort kennt jeder.
So geht es weiter, bis ich irgendwann alleine bin und noch viel Arbeit vor mir habe. Die letzten Spuren meiner Anwesenheit müssen verwischt werden. Ich kann nichts auf den Stapel "Morgen erledigen" legen. Jedes Blatt auf diesem Schreibtisch wandert durch meine Hand, ich überlege mir, was ich damit tun muss. Wegwerfen? Ablegen? Irgendwem übergeben zur weiteren Bearbeitung? Es gibt kein Morgen, kein nächstes Mal, kein wenn ich wieder komme. Abschied für immer.
Irgendwann sind es nur noch drei Zettel, zwei, einer, fertig, der Schreibtisch ist leer. Ich packe meine "Same shit, different day" Tasse ein, dazu meine Thermoskanne, das Glas kommt in die Küche. Auf dem Computer lösche ich alles, was nichts mit der Arbeit zu tun hat, Spuren verwischen. Das Leben dort geht ohne mich weiter. Und dann bin ich fertig.
Der Schreibtisch steht vor mir, sauber und ordentlich, nichts liegt herum, das darauf hinweisen könnte, dass hier jemand gearbeitet hat. Holzplatte, ein Locher, der Klammerer, sonst nichts. Alles leer. Ich drehe mich um, lösche das Licht. Auf Wiedersehen. Auf Nimmerwiedersehen.
Ich habe mich viel geärgert in den letzten drei Jahren, aber dieser Ort war für einen großen Teil des Tages mein Zuhause gewesen. Ungeliebt, aber gewohnt.
Auf zu neuen Ufern!
yvseit - 14. Apr, 19:18
Ich bin ganz gerührt, wie viel Verständnis mir die Leute aus meiner Arbeitsumgebung für meine Entscheidung zu gehen entgegen bringen. Das hätte ich so gar nicht ewartet. Vor allem die Außendienstler, mit denen ich viel zu tun hatte, haben mir heute ihr vollstes Verständnis bekundet. Das tut gut. Noch besser tut die Tatsache, dass sie mich alle wissen lassen, dass mit mir leider eine gute und zuverlässige Person geht. Danke. Es ist gut zu wissen, dass man wenigstens für den einen oder anderen in diesem Laden eine wertvolle Mitarbeiterin war.
yvseit - 6. Apr, 15:28
Es ist ein wahres Wunder, so ein kleines Menschlein auf dem Arm zu halten. Ich bin heute vormittag meinen Pflichten als Tante nachgegangen und habe meiner Schwester den kleinen Wurm für eine Weile abgenommen. Nach anfänglichem Gequake und leidvollem Geschrei (er hat wohl Probleme mit dem Bauch) hat er es sich dann bei mir gemütlich gemacht und ist auf meinem Bauch eingeschlafen. Ein schönes Gefühl, wenn er da so liegt und seine Händchen nach dem Hals greifen, seine Gesicht an die Schulter drückt und er sich endlich zufrieden schmatzend dem Schlaf hingibt. Gott, er ist süß, unser kleiner Simon.
yvseit - 4. Apr, 15:48
Auf meinem alltäglichen Mittagsspaziergang ist mir heute der Frühling in die Nase gestiegen. Nach dem wochenlangen Nicht-Geruch des Schnees, dampfte mir regennasser Wald und schwere Erde entgegen. Ich kann riechen! Mein Geruchssinn ist noch nicht verkümmert. Und dieser Duft nach Frühling, nach frischen Pflanzen und hervordrängendem Leben hat mir ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Getoppt wurde das Ganze von dem unglaublichen Blick auf die Berge, die im Süden unter einem hellen Sonnenstreifen weiß und dunkelblau schimmerten. Majestätisch, riesengroß.
Das sind die Momente, an denen ich diese Welt liebe, diesen Ort, wo man so etwas erleben kann. Es verzaubert den Tag.
yvseit - 30. Mär, 13:53
Ich habe soeben in meiner Firma gekündigt und ich fühle mich, als würde ich auf Wolken schweben. Befreit von dieser Fessel, die ich mir selbst mit meinem Arbeitsverhältnis in dieser Firma um die Füße gebunden habe. Ich weiß zwar nicht, was mir die Zukunft bringt, ob ich vom Regen in die Traufe gerate, ob ich am Hungertuch nagen muss, aber ich weiß eines: ich habe hier ein deutliches Zeichen gesetzt, dass man mit mir nicht alles machen kann, dass ich nicht unter jeder Bedingung arbeite und dass ich nicht vor Abhängigkeit auf den Knien herum ruschte. Das alleine ist ein gutes Gefühl. Ab Ostern bin ich im Urlaub und werde mich mit viel Elan um meine Zukunftsplanung kümmern.
yvseit - 29. Mär, 12:37